Wenn man in einem Spiel aus beruflichen Gründen nach etwas sucht, dass offenbar nicht gefunden werden will, kann man schon mal verzweifeln. Gloria berichtet von einer modernen Odyssee.
Das Leben als Gaming-Journalist könnte sehr leicht sein. Beispielsweise, wenn ich einen Spiele-Guide zu einem Game schreibe, das ich richtig gut kenne und bei dem ich im Grunde fast alles schon mal irgendwann gemacht habe. Wie bei Fallout 76! Nach dem Releasemonat im November 2018, in dem ich Fallout 76 gegessen, getrunken und geatmet habe, um meinen Teil zum GameStar-Sonderheft beizutragen, hat dieses Spiel nicht mehr allzu viele Geheimnisse vor mir.
Wir kennen uns also gut, Fallout 76 und ich. Ich ertrage stoisch gewisse Macken, die unsere Beziehung immer mal wieder belasten. Selbst das unsägliche Abomodell Fallout First und die noch immer vorhandenen Bugs habe ich durch pure Ignoranz inzwischen zu tolerieren gelernt. Dafür verzeiht mir Fallout 76 großzügig mein absolut beschissenes Waffenhandling und die Tatsache, dass ich vermutlich der schlechteste Schütze diesseits von Appalachia bin und versorgt mich immer wieder mit tollen Storys und Staun-Momenten.
Eigentlich wäre da ein Guide zum Fallout 76-Brausystem erstmal kein Problem. Den reiße ich locker nebenher runter, versicherte ich vollmundig meinem Auftraggeber. Und wie es immer bei derartigen Ankündigungen ist, trat mir das Spiel mal eben mit Anlauf und ausgestrecktem Bein richtig hart in den Arsch.
Zwei Hinweisen sollst du folgen
Und das ging so: Bei der Braustation bekommt ihr als Spieler mehrere Default-Rezepte für Alkoholika mitgeliefert, die ansonsten fertig irgendwo in der Welt in Flaschen abgefüllt aufzufinden sind. Um einen richtig guten Guide abzuliefern, dachte ich mir, wäre es sicher hilfreich, den Spielern (und baldigen Lesern) noch einen Extra-Service zu bieten. Zutatenlisten für irgendwelche herzustellenden Sachen sind immer viel nützlicher, wenn man den Möchtegern-Bastlern verrät, wo es das Zeug zu finden gibt, das da zu hartem Stoff verarbeitet werden soll.
Bei den meisten Zutaten absolut kein Problem, gerade Gemüse wie Mais oder Pflanzen wie Schnappsterz findet man überreichlich an vielen Ecken. Und dann kam der Eintrag „Teerbeere“. Irgendwann hatte ich mal irgendwo welche gepflückt, das wusste ich noch. Nur wo – keine Ahnung! Fallout 76 hat dermaßen viele Rohstoffe, dass es mir angesichts der vorhandenen Fülle inzwischen ziemlich schwer fällt, mir alle zu merken.
Getreu dem Motto ‚Ich muss nicht alles wissen, nur wissen, wo es steht‘ konsultierte ich also Freund Google, den Retter aller Guideschreiber und Verzweifelten. Allerdings war der ein bisschen wortkarg was den Suchbegriff „Teerbeere“ anging. Gerade mal zwei relevante Treffer? Also eben der englische Begriff ‚tarberry‘, wenn alle Stricke reißen! Aber auch da gab es nicht allzu viel Wissenswertes, nur reichlich Kommentare einiger Leute, die genau wie ich nach der begehrten Frucht suchten. Wenigstens All-Time-Favourite Reddit bot mir zwei halbwegs konkrete Hinweise. Also Spiel gestartet und eingeloggt. Auch im Gaming-Journalismus ist das Verifzieren aller Informationen eine wichtige Pflicht, deswegen prüfe ich generell alle Tipps aus dem Netz erstmal selbst nach.
Zuerst ging es für mich in den Cranberry Bog nach Watoga. Teerbeeren wachsen anscheinend nur in Gewässern, und im Fluss rechts neben der voll mechanisierten Stadt wollte ein User schonmal welche geerntet haben. Extra dafür hatte ich mein todschickes Angleroutfit mit stylischem Hut angezogen, aber anscheinend war das eher abschreckend für die Teerbeeren. Ich folgte etwa zehn Minuten lang dem ganzen Fluss an Watoga vorbei Richtung Norden, ohne auch nur eine einzige zu finden. Dafür Ghule, verseuchte Cranberrys und… noch mehr Ghule. Okay, dann eben Location zwei.
Nach Flatwoods zum landwirtschaftlichen Zentrum gesprungen, hatte ich die Hoffnung, dass ich wie angegeben hinter dem Gebäude fündig würde. Wasser war dort reichlich vorhanden, ebenso das mit meiner Ankunft startende Event ‚Fruchtbare Erde‘. Dabei marodierten erst einmal eine Horde Mr.Handy-Bots durch die Gegend. Also raus mit dem Superhammer und die Farmbots nachdrücklich befrieden! Leider war immer noch keine einzige Teerbeere weit und breit zu sehen. Dafür gabs die (lausige) Eventbelohnung für ‚Fruchtbare Erde‘ – man soll ja auch über die kleinen Dinge glücklich sein.
Mein Ehrgeiz war geweckt: Ich wollte die verdammten Teerbeeren jetzt finden, irgendwo mussten die ja wachsen. Schließlich hatte ich sie selbst bereits irgendwo aufgesammelt und Nahrung daraus hergestellt. Wasser gab es im von Flatwoods bis Morgantown reichenden Fluss genug, ich beschloss also, diesem einfach zu folgen. Inzwischen war es im Spiel Morgen und ich lief dem Sonnenaufgang eines herrlichen neuen Tages im verstrahlten Appalachia entgegen.
Flusswanderung mit Begleithüpfer
Inzwischen wusste ich zumindest, wo ich eine extreme Menge Blutblatt, leuchtende Pilze und Schnappsterz finden würde, wenn ich denn jemals mehrere Tonnen davon brauchen würde: Nämlich am Flussufer des Flusses von Flatwoods nach Morgantown. Und Maulwurfsratten. Und Verbrannte. Und noch mehr Verbrannte! Teerbeeren allerdings blieben Mangelware.
Zwischendrin lief mir noch ein Low-Level-Spieler zu, der sich vermutlich darüber wunderte, warum jemand mit Level 80+ im Angleroutfit in einem Anfängergebiet durch den Fluss watete. Er schoss meinem Avatar einmal probehalber ins Kreuz und als ich nicht auf diese subtile PvP-Aufforderung reagierte, folgte er mir den halben Weg nach Morgantown. Immer brav am Flussufer entlang hoppelnd, um bloß nicht ins Wasser zu fallen: Die radioaktive Verseuchung des Wassers, die ich mir mit einem hochleveligen Charakter ohne Probleme wegperken kann, ist in Level 16 schließlich noch ein echtes Problem.
Als wir endlich Morgantown erreichten, hatte ich einen Berg Schnappsterz für eine ganze Wagenladung Rum eingesammelt – und nach wie vor keine Teerbeere. Wo auch immer die Dinger in der Spielwelt zu finden sind, an diesem Fluss wachsen sie jedenfalls nicht. Vermutlich fragt sich dieser Spieler immer noch, was zur Hölle ich da veranstaltet habe. Schließlich ließ er mich dann doch in Ruhe und hüpfte seines Weges.
Viel gefunden, nur nicht das Gesuchte
Ich beschloss, der ganzen Sache noch eine Chance zu geben. Von Morgantown aus lief ich weiter Richtung Norden, um den Damm von Grafton anzusteuern. Wasser ja, Teerbeere nein. Dafür half ich einem Spieler (Level 23) dabei, sein ‚Menschenjagd‘-Event abzuschließen, indem ich gemeinsam mit ihm eine Bande krimineller Supermutanten und deren aus dem Knast geflüchteten Chef umkloppte. Danke, legendärer Superhammer! Schade nur, dass diese tolle Waffe keine eingebaute Teerbeeren-Suchfunktion besitzt.
In der Nähe des Damms – inzwischen war ich schon gut eine Stunde unterwegs – lief ich eher unmotiviert am verseuchten See entlang und überlegte, wo sonst noch genug Gewässer wäre, das ich nach Teerbeeren absuchen könnte. Eher durch Zufall stieß ich auf eine Ecke, an der neben zwei als Ausflüglern kostümierten Schaufensterpuppen auch ein schicker 20er-Jahre-Badeanzug auf einer Sonnenliege lag. Prima, wenigstens war der Mist nicht ganz umsonst gewesen. Also Aufnahmeprogramm an, Headset auf und ersten Teil eines neuen ‚Wie finde ich Klamotte X bei Fallout 76‘-Videos aufgenommen. Wenn ich schon mal vor Ort war!
Mir fiel ein, dass ich ganz in der Nähe eine zweite Location für den Badeanzug kannte und pausierte die Aufnahme, bevor ich zu diesem Ort lief. Ein verlassenes und von Maulwurfsratten verseuchtes ehemaliges Freibad würde mir eine gute Fundort-Alternative bieten. Als das Spiel zu stocken anfing, schwante mir allerdings Böses. Etwa drei sehr lange Sekunden später, in denen ich um meine Aufnahme fürchtete, stürzte das Spiel ab. Die Aufnahme war wegen des Absturzes im Eimer und damit das Thema erstmal erledigt. Fallout 76 hatte mir mal wieder brutal gezeigt, dass es auch ziemlich unkooperativ sein kann. Ich verschob die Suche nach Teerbeeren auf einen anderen Tag und machte erstmal Pause.
Dank Mitspielern ein gutes Ende
Dank der tollen Tips von Schimi2206 und einem leider unbekannt gebliebenen User bzw. einer unbekannt gebliebenen Userin konnte ich dann doch einen gescheiten Video-Guide zusammenstellen. Wer Teerbeeren sucht, findet sie an den im Guide genannten Orten auf jeden Fall – sie befinden sich übrigens nicht in fließendem, sondern stehendem Gewässer! Und wieder zeigt sich, wie genial die Community von Fallout 76 sein kann, ganz abseits von Bugs, Macken und seltsamen Publisher-Entscheidungen. Vielleicht auch einer der Gründe, wieso ich dem Spiel bis heute die Treue gehalten habe.