Im Holiday-Stream 2017 zeigte CIG über eine Stunde Gameplay zur Singleplayer-Kampagne Squadron 42. Wie weit war Chris‘ Roberts Team und konnte die Demo überzeugen?
In diesem Artikel erfahrt ihr:
- Was die Präsentation gezeigt hat
- Welche Infos wir über das Gameplay herausgefunden haben
- Welche Probleme CIG noch beheben muss
Zu Star Citizens Einzelspielerkampagne Squadron 42 gab es schon 2017 seit weit über einem Jahr nahezu keine neuen Informationen. Dementsprechend groß war mittlerweile die Ungeduld bei den Unterstützern der Star Citizen-Crowdfundingkampagne. Der Holiday-Stream 2017 erfüllte endlich die Hoffnungen der Squadron 42-Fans. In einer zweistündigen Spezialausgabe der wöchentlichen Info-Show Around the Verse wurden nicht nur drei Ship-Shape-Formate gezeigt (Idris-Fregatte, Avenger und der neue Panzer Tumbril Nova), es gab auch über eine Stunde Gameplay-Material aus dem Spiel zu sehen.
Hat die Demo überzeugt? Gibt es noch viele Probleme und wenn ja, welche? Und die wichtigste Frage: Wann kommt Episode 1 zu Squadron 42 auf unsere Rechner? Das kläre ich in diesem Artikel.
___STEADY_PAYWALL___Querschnitt mit Verspätung
Die Demo zu Squadron 42 kommt mit satter Verspätung. Schon zur CitizenCon 2016 war sie angekündigt und wohl schon weitgehend fertig – allerdings warf Cloud Imperium Games (CIG) zu der Zeit wohl einiges über den Haufen und baute die Planeten-Technologie sowie ein universelles KI-System in die Singleplayer-Kampagne ein.
Diese Demo nennt CIG intern Vertical Slice (also Querschnitt): Fast alle Gameplay-Elemente sind enthalten, die das Spiel am Ende ausmachen.
Wir starten ungefähr zu Beginn des zweiten Akts der ersten Episode auf der UEES Stanton, einem Idris-M Großkampfschiff der Fregattenklasse. Unser Charakter – ein Leutnant des United Empire of Earth (UEE) – wacht in einer der Kojen auf, steht auf und zieht sich an.
Auf dem Weg nach draußen sehen wir NPCs, die sich unterhalten, ihr Essen zubereiten oder uns in ein Gespräch verwickeln. Die Gesichter und die Animationen, die subtilen, realistischen Muskel- und Augenbewegungen, sorgen für beeindruckende Authentizität. Im Vorbeigehen wird unser Leutnant respektvoll mit „Sir“ oder „Lieutenant“ begrüßt – die Umgebung reagiert auf uns und unsere Aktionen. Das soll so weit gehen, dass NPCs kommentieren oder uns ansprechen, wenn wir uns bestimmte Points of Interest in ihrer Nähe ansehen.
Idris-Fregatte: Riesig und lebendig
Die Idris ist ein riesiges Schiff mit verwinkelten Korridoren, 55 verschiedenen Räumen und einem vergleichsweise großen Hangar für Kampfschiffe. Eigentlich ist die Fregatte ein eigenes Level im Level, die Detailverliebtheit kennen wir darüber hinaus bereits von den Schiffen und Stationen der Alpha 2.6 bzw. der frisch veröffentlichten Alpha-Version 3.0 zu Star Citizen.
Durch die vielen NPCs auf dem Schiff entsteht eine gewisse Betriebsamkeit und wir sollen im fertigen Spiel in der Lage sein, mit fast allen Besatzungsmitgliedern sprechen zu können. Allerdings ist es uns überlassen, wie tief wir in das Spiel eintauchen, wir dürfen auch einfach gradlinig unseren Missionen folgen.
Der Blick von der Brücke der Idris ist atemberaubend: Die acht Kilometer lange Shubin Miningstation rechts an einem riesigen Asteroiden, in der Ferne Gaswolken und andere Asteroiden des Odin-Systems, unter uns das riesige Vorschiff. Alles was wir sehen ist auch wirklich da, nichts wird „gefaked“.
Selbst dann nicht, als die Kamera später im Briefing-Raum erstmals zur Cutscene-Ansicht wechselt. Wir dürfen nämlich die cinematische Ansicht von Captain White (gespielt von Liam Cunningham; Game of Thrones) im Holo-Gespräch mit dem Chef der Shubin Miningstation abbrechen und uns weiterbewegen, um das Gespräch aus der normalen Spielerperspektive zu verfolgen.
Squadron 42: Kein Fake, alles echt
Das ist die große Leistung von Cloud Imperium Games: Alles ist echt, alles ist im Spiel, nichts wird geschönt und wir haben immer die Wahl, was wir uns wann und wie ansehen. Schauen wir uns Cutscenes an (beispielsweise, wenn wir etwas später die Ankunft von Gefangenen im Argo-Hangar beobachten), geht um uns herum das Leben an Bord weiter.
Es gibt also keine Cutscenes im klassischen Sinn. Alles was wir sehen, passiert in Echtzeit, wir können uns dabei bewegen und den Blickwinkel ändern. Natürlich würde man mit vorgerenderten Filmszenen noch bessere, fotorealistischere Gesichter und Animationen hinbekommen. Damit arbeiten diverse AAA-Spiele regelmäßig. Nicht so Squadron 42: Alles was wir sehen ist im Spiel, geschieht während wir spielen, im selben Moment.
Das macht die Technik so beeindruckend: Wenn wir Steve „Old Man“ Colton (Mark Hamill; Star Wars) ansehen und er auf uns reagiert, uns eingehend mustert bevor er uns anspricht, dann fühlt sich das an wie Kino. Nur mit dem Unterschied, dass wir mittendrin sind. Das gab es in dieser Form noch nie in einem Videospiel.
Noch keine Optimierungen vorgenommen
Gleichwohl sind Roberts & Co. längst nicht zufrieden. In einem Kommentar zur Demo betont Roberts, dass sie sich noch in vielen Dingen in einer frühen Phase befinden. Teilweise gibt es erhebliche Einbrüche in der Bildrate. Besonders deutlich wird das, als wir im Gladius-Kampfschiff aus der Idris heraus starten und der Übergang vom Schiff ins offene Weltall für deutlichen FPS-Schluckauf sorgt.
„Wir wollten den Zustand des Spiels zeigen, so wie es jetzt ist. Hier sind noch so gut wie keine Optimierungen vorgenommen worden,“ bemerkt Sean Tracy, Technical Director für Star Citizen. Die gesamte Demo wurde live gespielt und aufgenommen, ohne nachträgliche Bearbeitung oder andere kosmetische Hilfsmittel.
Trotzdem spielt sich die Geschichte schon wie aus einem Guss. Das Writing der Dialoge ist auf den Punkt, die Charaktere wirken lebendig, authentisch, haben Emotionen. Damit wird eines von Roberts großen Zielen erreicht: Der Spieler soll durch Interaktion mit den NPCs emotional involviert werden.
Neben dem hervorragenden NPC- bzw. Schauspielerverhalten spielt auch die gute Musik eine große Rolle: Komponist Geoff Zanelli (Outlander, Hitman, Fluch der Karibik) hat eine stimmungsvolle Musikuntermalung geschaffen, die sich durch die Spieltechnik dynamisch an die Situation anpasst. Beispielsweise wird sie dramatisch, als es später zu einem Raumgefecht im schrottverseuchten Orbit eines Mondes kommt.
Die Summe aller Teile
Es ist die bis zum Exzess betriebene Detailversessenheit, die eine zum schneiden dichte Atmosphäre erzeugt. Etwa wenn wir bei der Waffenausgabe Messer und Pistole nicht einfach über ein Menü kaufen, sondern vom zuständigen Offizier auf den Tresen gelegt bekommen.
Oder wenn der Hausmeister beim Wischen des Bodens darüber philosophiert, dass es seine Vorteile hat, wenn die Crew auf Kampfstation sei – er könne dann in Ruhe putzen. Der Dreck auf den Schiffen wird laut Roberts übrigens prozedural generiert, der Hausmeister putzt also nicht einfach bloß an ein oder zwei Show-Points.
Die Kommunikation mit NPCs über das Benutzerinterface mobiGlas oder den Comm-Screen eines Raumschiffs erfolgt in Echtzeit. Ob wir mit der Flugkontrolle sprechen oder ob Colton uns mit Hinweisen zum Ziel versorgt: Die jeweiligen Charaktere, selbst wenn sie hunderte Kilometer entfernt sind, sehen wir dort, wo sie sind und sie tun dort gerade das, was wir sehen.
Die Übertragungen sehen in der Demo allerdings noch etwas künstlich aus, wie Roberts anmerkt: „In der finalen Version soll es so aussehen, als wären wir direkt vor Ort.“
Fantastische Umgebungen, durchdachtes Missionsdesign
Die beeindruckende Gestaltung der riesigen Umgebung sorgt bei mir – noch mehr als in der Alpha 3.0 zu Star Citizen – für einen offenen Mund. Volumetrischen Gaswolken und Nebel, riesige, dicht übereinander schwebende Asteroiden, der Mond mit dem Schrottorbit: die Wow-Momente hören nicht auf.
Das gilt auch für den Weltraumspaziergang im riesigen Wrackteil einer zerstörten Station. Wir bewegen uns durch die Schwerelosigkeit auf eine verlassene Avenger zu, durch die zerstörte Seite des Stationswracks sehen wir gleichzeitig direkt auf die Mondoberfläche hinab. Einfach nur umwerfend und ich kann es kaum erwarten, das selbst zu spielen!
Unsere Mission (bei der es sich übrigens bloß um eine optionale Nebenmission handelt) begann auf der Idris mit der Anweisung, eine vermisste Starfarer zu finden. Später bekommen wir einen Tipp von unserem Kontakt, Agent Rebecca Trejo: Offenbar sind Sklavenhändler in die Sache verwickelt. Blöd nur, dass Agent Trejo von ihnen entführt wurde – jedenfalls ist ihre Avenger leer. Das hinterlassene Datenpad im Raumschiff beinhaltet aber Hinweise auf die Industrieanlagen auf dem Mond unter uns.
Beim folgenden Anflug bleiben der Leutnant und Commander Colton tief unterm Radar. Die alten, ehemals von der Chemieindustrie genutzten Komplexe werden nämlich von schweren Luftabwehrgeschützen bewacht, die kurzen Prozess mit allem machen, was ihnen zu nahe kommt. Herabstürzender Weltraumschrott wird in einer kurzen Szene zum Beweis kompromisslos abgeschossen.
Dogfights, Rollenspiel, Puzzles & Stealth
Colton lotst uns zu einer kleinen Landeplattform, von der aus ein Fahrstuhl Zugang zum Industriekomplex bietet. Während der Entwickler, der den Charakter in der Demo steuert, genau weiß was er wo zu tun hat, ist CIG sich darüber im Klaren, dass die Missionen und Aufgaben für uns Spieler besser „lesbar“ werden müssen.
Bessere Indikatoren für anstehende Aufgaben sowie ein Scanning-Tool sollen Spielern helfen, die nächsten Schritte auszumachen, ohne stundenlang herumsuchen zu müssen. Bei den massiven Ausmaßen der Spielwelt ist das auch dringend nötig. Umso mehr, weil das Spiel nicht bloß Dogfighting und Rollenspiel beinhaltet, sondern auch Puzzle- und Stealth-Elemente mitbringt.
Das lernen wir, als wir durch die stillgelegte Anlage laufen, um die Stromversorgung wiederherzustellen. Dabei müssen wir Sicherungskästen aufschweißen, Türen manuell überbrücken und eine fehlende Batterie finden.
Mit dem Aufzug geht es dann nach unten und die Schleicherei beginnt – ganz gediegen mit klassischen Messer-Takedowns gegen nichtsahnende Opfer. Dass die Geräusche einer sich öffnenden Tür und die Schritte eigentlich die Opfer alarmieren müssten, gibt auch Roberts zu. In der finalen Version sollen die NPCs darauf entsprechend reagieren.
Volle Kontrolle über den Spielstil
Wir sind übrigens nicht daran gebunden, schleichend in die Sklavenhändlerbasis einzudringen. Die Missionen in Squadron 42 sind Teil einer Sandbox: Wir schleichen rein – wie in der Demo – oder wir machen die Rambo-Nummer und crashen die Party von der Vordertür aus.
In der Demo kommt die Blaue Bohnen-Zeit ebenfalls schnell: Im Gefecht nutzen die gegnerischen NPCs recht gut ihre Deckungen und versuchen, dem Spieler in den Rücken zu fallen.
Das soll aber noch viel taktischer werden, etwa durch eine 3D-Karte, die wir über unser Visier aufrufen. Zumindest, wenn wir die Karte vorher gefunden und geladen haben. Im Fall der Industriekomplexe könnten wir diese Karte beispielsweise von Agent Trejo im Vorfeld als Upload bekommen haben. Auf diese Weise soll alles im Spiel ineinander greifen und ein großes Ganzes ergeben, über das wir aber immer die Kontrolle behalten: Wann wir etwas tun, wie wir es tun und in welchem Tempo soll ganz uns überlassen sein.
Wir befreien Rebecca Trejo und versorgen sie medizinisch. Sie bewaffnet sich, um mit uns gemeinsam die Basis auszuräuchern – und damit endet die Demo. Selten habe ich eine spannendere Spielpräsentation gesehen: Ich habe mich die ganze Zeit wie in einem Kinofilm gefühlt.
Dass es sich dabei um ein Spiel handelt, ist bemerkenswert. Die Story der Randmissionen, die Präsentation, die Schauspieler und die hervorragende Umgebung lassen erkennen, in welche Richtung sich Squadron 42 bewegt. Die Erwartungen sind – zumindest bei mir – nicht geringer geworden, ganz im Gegenteil.
Noch viel Arbeit bis zum Release von Squadron 42
Also alles perfekt, bei Cloud Imperium Games? Nein, es liegt noch sehr viel Arbeit vor dem Entwicklerteam. Die Performance muss viel besser werden, damit wir später mal in 4K-Auflösung flüssig spielen können. Roberts & Co. sind sich sicher, dass sie das hinkriegen: „Wir haben bereits die Technik dafür. Aber bei der Menge an Echtzeit-Rendering ist das eine sehr komplexe Aufgabe, die entsprechend viel Zeit braucht,“ sagt der CEO von Cloud Imperium Games.
Dazu kommen noch diverse weitere Baustellen: Die Bedienung der Benutzeroberfläche ist teilweise frickelig, Spiegelungen im Cockpit sind an einigen Stellen zu stark, manchmal treten Darstellungs-Lags auf (beispielsweise, wenn sich Gegenstände oder NPCs ein Stück „warpen“) und ab und zu ist starkes Objektzittern zu beobachten.
Die Beleuchtung ist in einigen Bereichen suboptimal und auch die NPCs sollen noch diverse Überarbeitungen und noch mehr Feinheiten bekommen. Außerdem werden bessere Info-Tools für Aufgaben und Points of Interest benötigt, damit Spieler in der großen Spielwelt nicht verloren gehen.
Geduld ist weiterhin eine Tugend
Wenn ich mir die Demo als Gesamtwerk ansehe, fällt mir vor allem die gelungene Atmosphäre auf. Alles greift ineinander, ist gespickt mit Details, wirkt lebendig und besitzt eine stets präsente, unterschwellige Spannung. Es ist gut zu erkennen, dass CIG einen Plan hat und diesen umsetzt. Hier wird nichts dem Zufall überlassen, hier wird nicht aufs Geratewohl experimentiert: Roberts & Co. wissen genau, was sie erreichen wollen und offenbar wissen sie auch wie. Der Vertical Slice zu Squadron 42 hat mich jedenfalls überzeugt.
Allerdings vermute ich, dass Episode 1 aufgrund des angestrebten Levels an Perfektion länger als 2018 auf sich warten lassen könnte. (Update Mai 2020: Vor 2021 tut sich Release-mäßig gar nichts!). Ich bin allerdings anhand des Gesehenen davon überzeugt, dass sich die Wartezeit in jedem Fall lohnen wird. Wing Commander wird nach vielen, vielen Jahren nicht nur einen echten Nachfolger bekommen: Der damalige Meilenstein der Spielgeschichte soll durch einen neuen ersetzt werden.
Es sieht so aus, als könnte das klappen.